„Miss Saigon“ erzählt die Geschichte einer im Vietnamkrieg verwaisten jungen Frau, die, um zu überleben, sich nur prostitieren kann. Im Bordell verliebt sie sich in einen GI, der sein Kriegstrauma und dann auch noch die Trennung von der Geliebten verkraften muss. Als er, in USA verheiratet, erfährt, dass seine Geliebte einen Sohn von ihm hat, sucht er sie auf.
„Jekyll & Hyde“ thematisiert den Selbstversuch eines Arztes, der ein neues ‚Heilmittel‘ erfand, das ihn aber in Sucht, Persönlichkeitsspaltung und Kriminalität treibt. Seine treue Verlobte will ihn unterstützen, doch sein degenerietes Alter-Ego tötet nicht nur seine Widersacher, sondern auch eine Prostituierte, die er quälte. Verzweifelt hofft er, im Suicid Erlösung zu finden.
„Elisabeth“, die populäre Kaiserin Sisi, rebelliert gegen die Hofetikette, stürzt sich in ihrem Emanzipationsversuch in einen radikalen Körperkult, um ihre Schönheit als Waffe gegen die Diskriminierung durch ihre Schwiegermutter einzusetzen. Von den Liebesaffären des Kaisers erwähnt das Musical nur die Bordellintrige zwecks Ausschaltung von Sisis politischem Einfluss. Der Tod und als seine Emanation der Mörder Lucheni wird zu Elisabeths Gegenspieler. In der Metaphorik des mittelalterlichen Totentanzes drückt sich etwas von Sigmund Freuds Idee eines Todestriebes aus, den der Psychoanalytiker in der Dekadenz um den ersten Weltkrieg zu erkennen glaubte.
Die Darstellung von Gender-Rollen und Gender Diversität in Musicals entspricht zeit-, gesellschafts- und genrekonformen Profilen, die als Vorbilder die Selbstkonzepte und das Geschlechtsrollenverständnis des Publikums bestätigen oder mit kontrastierendem Verhalten herausfordern und so die Geschlechtsrollenkonzepte verändern können.
Die neuere Genderforschung reflektiert die Gender-Profile in den Medien als Indizes gesellschaftlicher Symptomatik. Signifikant ist, welche Geschlechter in welcher Weise inszeniert werden, was affirmativ oder kritisch hervorgehoben und was ausgeschlossen wird. Die breite Publikumsakzeptanz von Musicals auch in ihren Verfilmungen ist dazu geeignet, die Wirkung der darin vermittelten Genderkonzepte zu intensivieren.